Der Begriff »Belutschistan« bedeutet schlicht und einfach »Land der Belutschen« und bringt die Region mit dem Volk der Belutschen in Verbindung Die Entstehung dieses Namens steht im Zusammenhang mit der Entwicklung einer feudal-nationalen Identität der Belutschen und der geografischen Ausdehnung der Belutschen über das Gebiet zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert, das noch immer ihren Namen trägt. Dr. Inayatullah Baloch, eine bekannte Autorität auf diesem Gebiet, erklärt, dass die als Belutschistan bekannte Region ihren Namen seit der Gründung der ersten Belutschen-Konföderation im 12. Jahrhundert beibehalten hat.
Der belutschische Intellektuelle Mir Mohammad Ali Talpur behauptet, dass Belutschistan 44% des pakistanischen Staatsgebietes ausmacht. Doch dass Belutschistan Teil des pakistanischen Territoriums ist, war keine freiwillige Entscheidung. Die Belutschen strebten eine Koexistenz mit Pakistan an, wurden allerdings gegen ihren Willen einverleibt. Darüber hinaus ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Belutschistan keine »Terra Nullius« (Land ohne Menschen) ist; es hat seine eigene Bevölkerung. Leider wird die Not der Menschen in Belutschistan sowohl von den Machthabern als auch von der Öffentlichkeit häufig übersehen.
Die sich entfaltende Tragödie in Belutschistan war eine Folge der tiefen Unsicherheit der pakistanischen Elite und des Establishments. Ihr Bestreben, religiöse Konformität durchzusetzen, verleitete sie dazu, Autorität auszuüben, ohne auf die vielfältigen sozialen Strukturen einzugehen, denen sie begegneten. Der Rückgriff auf Gewalt, der ihnen von ihren kolonialen Vorgängern eingeimpft worden war, schürte nur dauerhafte Ressentiments in der Bevölkerung. Ihre Versuche, die Vorherrschaft über alteingesessene Nationen in der Region zu erlangen, zeugten von einer Missachtung der verschiedenen sozialen und historischen Realitäten. Die Auswirkungen dieser vermeidbaren Tragödie hatten menschliches Leid, gesellschaftliche Zerrüttung und wirtschaftliche Verwüstung katastrophalen Ausmaßes zur Folge, was besonders an der Notlage der Bengalen und den anhaltenden Herausforderungen für Belutschistan deutlich wird.
Die Größe Belutschistans wird oft als mehr als nur eine geografische Ausdehnung innerhalb des pakistanischen Staatsterritoriums betrachtet. Der historische Kontext offenbart eine komplexe Geschichte, die von der erzwungenen Eingliederung in Pakistan am 27. März 1948 geprägt ist. Der Widerstand, den Belutschistan im Laufe der Jahrtausende gegen persische, afghanische, britische und pakistanische Aggressoren geleistet hat, hat seine nationale Identität geprägt, die sich durch ein Bekenntnis zu Freiheit und Würde auszeichnet.
Um die Wurzeln des Widerstands in Belutschistan gegen Pakistan zu verstehen, ist ein Blick auf die Geschichte des Landes unumgänglich. Nationen, die sich durch ihre Kultur definieren, sind ein Spiegelbild ihrer Handlungen. Die Kultur der Belutschen, die tief in eine Geschichte des Widerstands gegen Unterdrücker eingebettet ist, unterstreicht die Werte der Unabhängigkeit und des Stoizismus1. Das unwirtliche Terrain und die wirtschaftlichen Härten erfordern Selbstversorgung und prägen die Lebensweise der Belutschen.
Der belutschische Widerstand beginnt
Die Frage nach dem Ursprung Belutschistans und seiner Ausrichtung auf einflussreiche Stämme im Laufe der Jahrhunderte führt zur Bildung der Belutschen-Konföderation Mitte des 16. Jahrhunderts unter den Khans von Kalat. Diese Konföderation florierte und erreichte ihren Höhepunkt unter Naseer Khan Noori (1749-1794). Das Eindringen der Britischen Ostindien-Kompanie veränderte jedoch die Dynamik und führte zu Konflikten wie dem ersten anglo-afghanischen Krieg und dem anschließenden Angriff auf Kalat im Jahr 1839.
Der unorganisierte, aber hartnäckige Widerstand der Belutschen gegen die Briten spielte eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung des Schicksals der Region. Taj Mohammad Breseeg schreibt, dass 1920 eine geheime Gruppe mit dem Namen »Young Baloch« von einem Kader belutschischer Nationalisten unter der Führung von Yusuf AH Magsi, der in Indien ausgebildet worden war, und Abdul Aziz Kurd, dem Sohn eines Beamten des Staates Kalat, gegründet wurde. Nach einigen Jahren wandelte sich die Organisation sowohl in ihrem Namen als auch in ihrem Wesen und wurde zur »Anjuman-e Ittehad-e Balochan« (Organisation für die Einheit der Belutschen, im Folgenden »Anjuman« genannt). 1931 wurde sie unter der Führung von Magasi von einer verdeckten Organisation zu einer offenen politischen Partei. Diese Entwicklung markierte den Beginn einer neuen Dynamik in Belutschistan – das Entstehen einer säkularen, nicht stammesbezogenen nationalistischen Bewegung, die in Form einer politischen Partei organisiert war. In diesem Zusammenhang sagt Talpur, dass politische Gruppierungen wie Anjumman-e-Itehaad-Balochistan und die Kalat State National Party (KSNP) die Sehnsucht des belutschischen Volkes nach Unabhängigkeit widerspiegelten.
Am 5. August 1947 akzeptierte und beschloss die britische Regierung, dass Belutschistan die Unabhängigkeit erlangt und einen Status erhält, der seinem ursprünglichen Status von 1838 entspricht, wobei freundschaftliche Beziehungen zu den Nachbarstaaten gefördert werden sollten. Schließlich erklärte die britische Regierung am 11. August 1948, nach fast 108 Jahren Herrschaft, Belutschistan zu einem unabhängigen Staat.
Belutschistan nach der Unabhängigkeit Pakistans
Schon bald nach der Unabhängigkeit versuchte Pakistan mit allen Mitteln und Taktiken, Belutschistan an Pakistan anzugliedern. Doch das Parlament von Belutschistan lehnte dies vehement ab. In der Sitzung des Unterhauses im Dezember 1947 betonte Mir Ghaus Bakhsh Bizenjo, ein Abgeordneter der Kalat State National Party, die ausgeprägte kulturelle Identität der Belutschen, die mit Afghanistan und dem Iran vergleichbar sei. Er wandte sich gegen die Vorstellung, dass sie als Muslime verpflichtet seien, mit Pakistan zu fusionieren, und erwiederte, dass sich nach derselben Logik auch Afghanistan und Iran mit Pakistan vereinigen sollten. Bizenjo behauptete, dass die Einverleibung zur Pakistan gleichbedeutend mit der Unterzeichnung des Todesurteils für die 15 Millionen Belutschen wäre und lehnte es entschieden ab, das Volk der Belutschen der Demütigung eines Zusammenschlusses mit einer nicht-belutschen Einheit auszusetzen, da er dies für ein schweres Verbrechen hielt.
Belutschistan stand in der Zeit nach der Unabhängigkeit vor Herausforderungen. Am 27. März 1948 entsandte Pakistan die Armee nach Kalat und zwang den Khan von Kalat Mir Ahmed Yar Khan, den Beitrittsvertrag zu Pakistan zu unterzeichnen. Der erzwungene Beitritt zu Pakistan im Jahr 1948, bei dem der souveräne Status Belutschistans missachtet wurde, markierte einen dunklen Tag in der Geschichte der Belutschen.
Die Reaktion der Belutschenführer kam prompt und führte zu Unruhen und Kundgebungen gegen Pakistan in ganz Belutschistan. Diese erste Begegnung zwischen den Belutschen und den Kräften des pakistanischen Staates war entscheidend für den weiteren Verlauf der belutschisch-pakistanischen Beziehungen.
Am 15. April 1948 begann in der Region Jhalawan eine bewaffnete Bewegung, die von Agha Abdul Karim, einem Bruder von Mir Ahmad Yar Khan (1933-1948), dem Khan von Kalat, angeführt wurde. Dieser Aufstand wurde von einigen nationalistischen Persönlichkeiten unterstützt und vom Khan insgeheim befürwortet. Am 8. Juli 1948 wurde Abdul Karim jedoch zusammen mit zweihundert Begleitern von der pakistanischen Armee verhaftet und später nach Quetta ins Mach-Gefängnis verlegt. Am 4. Dezember 1948 wurde Agha Abdul Karim zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
Die zweite und dritte Phase des Widerstands
In den ersten Jahren des Ayub-Regimes (1958-69) entwickelte sich die zweite Phase des belutschischen Widerstands gegen Pakistan. Das verstärkte Gefühl der Vernachlässigung und Entbehrung resultierte aus dem Zusammenschluss Belutschistans mit den Provinzen Westpakistans im Jahr 19552. Als Reaktion darauf organisierten die Führer der Belutschen umgehend offenen Widerstand und widersetzten sich dem Verbot politischer Aktivitäten. Nawab Nouroz Khan begann den bewaffneten Kampf gegen Pakistan. Später einigte er sich jedoch mit seinen Kämpfern auf Verhandlungen mit den pakistanischen Streitkräften, wurde jedoch verraten und zu lebenslanger Haft verurteilt, während sein Sohn und sechs weitere Personen zum Tod verurteilt und gehängt wurden. Dieser Verrat in der Geschichte der Belutschen symbolisiert die verräterische Natur der pakistanischen kolonialen Mentalität gegenüber der belutschischen Nation.
Die dritte Welle des nationalen Kampfes der Belutschen begann in den frühen 1960er Jahren. 1963 initiierte Sher Mohammad Marri, ein prominenter belutschischer Stratege der asymmetrischen Kriegsführung, zusammen mit einer Gruppe von belutschischen Nationalisten den organisatorischen Rahmen für die Bewegung des bewaffneten Kampfes. Ihr Ziel war es, einen umfassenden Guerillakrieg zu führen, um die Forderung der Belutschen nach dem Abzug der pakistanischen Armee aus Belutschistan, der Aufhebung des Einheitsplans und der Wiederherstellung Belutschistans als einheitliche Provinz zu unterstützen.
Pakistan führte in Zusammenarbeit mit dem Iran einen umfassenden Krieg gegen die Freiheitskämpfer der Belutschen, in dessen Verlauf in den 1970er Jahren rund 30000 Belutschen getötet wurden.
Der schmutzige Krieg des pakistanischen Staates in Belutschistan
Die seit über zwei Jahrzehnten andauernde fünfte Militäroperation in Belutschistan ist einer der brutalsten und langwierigsten Konflikte in der Geschichte der Region. General Pervez Musharraf leitete diese Operation während seiner Amtszeit als Generalstabschef und Präsident Pakistans ein. Mit der Ermordung des achtzigjährigen Belutschenführers Nawab Akbar Bugti im Jahr 2006 nahm der Kampf eine neue Wendung. Die Politik des Establishments, die durch die Militarisierung von Gwadar, des Küstengebiets von Belutschistan und demografische Veränderungen gekennzeichnet war, schürte den Unmut der Belutschen. Der schmutzige Krieg in Belutschistan verschärfte sich durch systematische Entführungen, Tötungen und das Verschwindenlassen von Personen, was zu einer heftigen Reaktion des belutschischen Volkes führte.
Diese neue Ära des Kampfes hat sich aufgrund ihres Charakters stark von den früheren Aufständen unterschieden. Erstens waren alle früheren Aufstände auf die eine oder andere Weise in ihrer Natur und Reichweite begrenzt: Diese Kämpfe waren auf bestimmte Gebiete Belutschistans beschränkt und endeten immer nach kurzer Zeit. Diesmal jedoch ist der nationale Kampf der Belutschen in jeden Winkel Belutschistans vorgedrungen. Zweitens: Früher wurde die Bewegung überwiegend von Stammesangehörigen kontrolliert. Doch diesmal ist der Kampf in der Hand derjenigen, die gebildet sind, aus der Mittelschicht kommen und keine Stammesloyalität haben. Der Gründer der dynamischsten politischen Partei, der Baloch National Movement (BNM), Ghulam Mohammad, stammte selbst aus einer Familie der Mittelschicht. Ghulam Mohammad Baloch wurde zusammen mit Lala Munir, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Baloch National Movement, und Sher Mohammad, einem hochrangigen Führer der Baloch Republican Party (BRP), am helllichten Tag vom pakistanischen Geheimdienst aus der Stadt Turbat verschleppt, und ihre verstümmelten Leichen wurden drei Tage später, am 9. April 2009, in der Nähe der Stadt Turbat gefunden. Auch der derzeitige Vorsitzende der Belutschistan Befreiungsfront (BLF), Allah Nazar, ist von Beruf Arzt, und Bashir Zaib, der Anführer der Belutschischen Befreiungsarmee (BLA), stammt hingegen aus einer armen Familie. Beide waren zuvor Vorsitzende der Belutschischen Studentenorganisation (Azad).
Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen in Belutschistan haben das pakistanische Militär und die Geheimdienste während dieser Militäroperationen Zehntausende von Menschen entführt. Das Schicksal vieler dieser Menschen ist bis heute unbekannt. Tausende wurden außergerichtlich getötet und ihre Leichen im Dschungel und an verlassenen Orten entsorgt.
Der Kampf um die Verschwundenen
Es ist wichtig zu betonen, dass die pakistanischen Streitkräfte seit 2009 eine Politik des »Tötens und Verschwindenlassens« verfolgen. Diese Strategie, zusammen mit der »kollektiven Bestrafung«, die durch das Verbot politischer Parteien wie der Baloch Republican Party (BRP) und der Baloch Student Organization (AZAD) sowie dem inoffiziellen Verbot der Baloch National Movement (BNM) durch Ermordung und gewaltsames Verschwindenlassen ihrer Führer und Aktivisten durchgesetzt wird, hat zu einem anhaltenden Zustand der Angst unter der Bevölkerung in Belutschistan geführt. Pakistan gelang es, diese Angstpolitik fast ein Jahrzehnt lang aufrechtzuerhalten. Während dieser ganzen Zeit gingen die politischen Parteien in den Untergrund und stellten ihre öffentlichen politischen Aktivitäten vollständig ein.
Menschenrechtsgruppen wie Voice for Baloch Missing Person (VBMP) machten jedoch unermüdlich auf das Problem des Verschwindenlassens in Belutschistan aufmerksam. Selbst in dieser schwierigen Zeit organisierte die VBMP unter der Leitung von Abdul Qadeer Baloch, weithin bekannt als Mama Qadeer, den Marsch »The Voice for Baloch Missing Person« (VBMP), der am 27. Oktober 2013 in Quetta, der Hauptstadt von Belutschistan, begann und in Karatschi endete, wo die Demonstranten am 23. November vor dem Karatschi Press Club demonstrierten. In der ersten Phase des Marsches legten die Familien 730 km zu Fuß zurück. Die zweite Etappe von Karatschi nach Islamabad begann Mitte Dezember und erreichte Islamabad am 28. Februar 2014. Damit wurden mehr als 2000 Kilometer Protestmarsch zu Fuß zurückgelegt, um auf das Problem der vermissten Personen in Pakistans unbeständiger Provinz Belutschistan aufmerksam zu machen. Die Kampagne »Voice for Baloch Missing Persons« hat gewissermaßen Belutschen gegen die pakistanische Unterdrückung vertreten.
Der Angstzustand wird durchbrochen
Die Massen der Belutschen waren jedoch frustriert von diesem ständigen Zustand der Angst, als ob sie wie ein Vulkan auf einen plötzlichen Ausbruch warten würden. Dies geschah am 26. Mai 2020, als ein von Pakistan unterstütztes Todesschwadron in ein Haus in Turbat einbrach und eine Frau, nämlich Malik Naz, tötete und ihre vierjährige Tochter Bramsh verwundete. Dieser Vorfall vom 26. Mai war sehr schockierend. In Belutschistan gab es seit etwa zwei Jahrzehnten eine aufständische Bewegung. Diese stellt die fünfte Aufstandsbewegung seit der Gründung von Pakistan dar.
Aber einen Vorfall wie den vom 26. Mai, bei dem eine Frau, die Mutter des vierjährigen Bramsh, getötet wurde, hatte es noch nie gegeben. Die Reaktion war so scharf und heftig. Sie führte zur Gründung des Baloch Yekjethi Committee (Komitee für die Einheit der Belutschen), das Massenproteste in ganz Belutschistan organisierte. Auch die belutschische Diaspora, insbesondere in Europa, protestierte in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden gegen das tragische Ereignis. Langsam ge2wann das Baloch Yekjethi Komitee an Schwung und organisierte immer wieder Demonstrationen und Kundgebungen gegen die pakistanischen Gräueltaten.
Der lange Marsch gegen den Genozid an den Belutschen
In jüngster Zeit hat die pakistanische Abteilung für Terrorismusbekämpfung (CTD), die den Militärs untergeordnet ist, eine neue Strategie gegen zuvor entführte und gewaltsam verschwundene Belutschen entwickelt. Die CTD inszeniert sogenannte »Auseinandersetzungen«, bei denen belutschische Jugendliche ums Leben kommen. In der Realität handelt es sich allerdings um eine Fortführung der Politik des Verschwindenlassens.
Am 23. November 2023 meldete der CTD die Tötung von vier Kämpfern bei einem Gefecht, aber diese Personen wurden als junge Belutschen identifiziert, die zuvor von den pakistanischen Streitkräften entführt worden waren. Familien, wie die von Balach Mola Baksh, protestierten in Turbat gegen seine Ermordung und forderten Gerechtigkeit. Der Protest fand breite Unterstützung und entwickelte sich zu einem Marsch nach Quetta und später nach Islamabad unter dem Dach des Baloch Yakjethi Committee. Angeführt vom Baloch Yakjehti Committee und begleitet von den Familien der vermissten Belutschen, die von den pakistanischen Streitkräften entführt worden waren, erreichte der lange Marsch am 2. Dezember 2023 Islamabad. Die Demonstranten protestierten gegen den Völkermord an den Belutschen und die gewaltsame Entführung von belutschischen Zivilisten und forderten die sofortige Freilassung aller entführten Personen.
Trotz der Forderungen der Demonstranten unternahm die Regierung nichts, um das gewaltsame Verschwindenlassen zu verhindern. Stattdessen wurden Anklagen gegen die Demonstranten und ihre Unterstützer erhoben. Die Medien verbreiteten negative Meldungen gegen die Anführer des Langen Marsches, und die Justiz versäumte es, sich angemessen mit dem Verschwindenlassen von Personen zu befassen. Der Oberste Richter wies das Problem mit der Behauptung zurück, die Vermissten könnten sich militanten Organisationen angeschlossen haben, und ignorierte damit die grausame Realität des Verschwindenlassens.
Angesichts des Versagens der pakistanischen Medien, der Regierung und der Justiz, den Menschen in Belutschistan Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, appellieren die Anführer des Langen Marsches an die internationalen Medien, Menschenrechtsorganisationen, die Vereinten Nationen und Vertreter unterdrückter Nationen, sie dabei zu unterstützen, den Kreislauf der Gewalt in Belutschistan zu beenden.
Der belutschische Intellektuelle Mir Mohammad Ali Talpur schreibt, dass der anhaltende Kampf, der durch einen »schmutzigen Krieg« und ständige Menschenrechtsverletzungen gekennzeichnet ist, Aristoteles› Ausführungen über Tyrannen bestätigen3. Das Establishment zielt darauf ab, das Volk der Belutschen zu demütigen, Misstrauen zu erzeugen und es handlungsunfähig zu machen. Trotzdem leistet das Volk der Belutschen weiterhin Widerstand, angetrieben von seinem Wunsch nach Würde und Unabhängigkeit. Die Politik des Establishments, die ihre Wurzeln in der historischen Unterdrückung hat, stößt auf den unerschütterlichen Widerstand eines Volkes, das entschlossen ist, sein eigenes Schicksal zu gestalten.
Die Ära, in der die Politiker des Establishments und die Sardars (Feudalherren) die Geschichte diktierten, ist vorbei; jetzt ist es der Widerstand der Belutschen, der die sozialen und politischen Beziehungen in der Region bestimmt. Die Menschen identifizieren sich mit Stolz mit den Sarmachars (Freiheitskämpfern), die ihren Kampf seit fast sieben Jahrzehnten fortsetzen, motiviert durch ihre Liebe zu ihrem Mutterland und ihr Engagement für dessen Unabhängigkeit.
Fußnoten
1 vgl. Wikipedia: Ein besonderes Merkmal der stoischen Philosophie ist die kosmologische, auf Ganzheitlichkeit der Welterfassung gerichtete Betrachtungsweise, aus der sich ein in allen Naturerscheinungen und natürlichen Zusammenhängen waltendes universelles Prinzip ergibt.
2 Belutschistan wurde im Jahr 1955 mit den westlichen Provinzen Pakistans zu einer politischen Einheit verschmolzen. Diese Vereinigung erfolgte durch den sogenannten »One Unit«-Plan, der mehrere westliche Provinzen Pakistans, darunter Belutschistan, zu einer einzigen politischen Einheit namens »Westpakistan« zusammenführte.
3 Aristoteles definierte Tyrannis in seinem politischen Werk »Politik« als eine Form der Herrschaft, die durch unrechtmäßige Machtübernahme gekennzeichnet ist. Im Allgemeinen betrachtete er Tyrannen als Herrscher, die ihre Macht auf illegitime Weise erlangten, oft durch Gewalt oder Missbrauch von politischen Prozessen. Für Aristoteles war die Tyrannis durch Selbstsucht, Willkür und die Vernachlässigung des Gemeinwohls gekennzeichnet.